Das nebenstehende Bild veranschaulicht, dass sich in den letzten 300 Jahren wenig verändert hat. Die von Guérinière beobachtete Verzweiflung ist auch diesem modernen Sportpferd deutlich anzusehen.
Die Kandare ist bis zum Anschlag angenommen, die Hebelwirkung durch die Kinnkette maximal. Das ganze in Verbindung mit der dünnen Unterlegtrense führt zu einer extremen Beizäumung, die dem Pferd offensichtlich Schmerzen nicht nur auf Zunge, Lade, Lefzen und Kinn bereitet, sondern auch die Ohrspeicheldrüsen quetscht. Das Pferd kann seinen Speichel nicht mehr abschlucken, was man am weissen Schaum am Maul deutlich sehen kann.
Guérinière lobt die pferdfreundlichen Zäumungen von Pignatelli, welcher Schüler von Grisone war. Er betont, dass die einfachsten und gelindesten Stangen hinreichend sind, um allen Gehorsam von einem Pferd zu erhalten, die eine geschickte Reiterhand nur erwarten kann.
Über die Verschnallung des Zaums führt Guérinière aus, dass der Kehlriemen nicht zu eng verschnallt werden soll, um das Pferd nicht am Atemholen zu hindern. Dagegen soll der Kinnriemen etwas feste zugezogen werden. Und zwar einmal der Nettigkeit wegen, und zum anderen um bei manchen Pferden das Aufsperren des Mauls zu verhindern. Ausserdem kann das Pferd somit dem Reiter nicht in die Stiefel beissen.
Das Mundstück darf nicht zu hoch, was die Lefzen runzeln würde aber auch nicht zu tief, wodurch es auf den Haken liegen würde, verschnallt sein.
Für das Anreiten empfielt Guérinière den Kapzaum. Dieser besteht aus einem bogenförmig gedrehtem Stück Eisen, an dem drei Ringe befestigt sind. Dieses Eisen wird in ein Kopfstück eingeschnallt, das mit einem Kehlriemen versehen ist. Der Kappzaum kann in Kombination mit einer Stangenzäumung angewendet werden.
Guérinière zitiert De la Broue sowie Newcastle, die sinngemäss ausführen:
Der Kappzaum wurde erfunden, um das Pferd zu verhalten, in die Höhe zu richten, leicht zu machen, das Wenden und Parrieren zu lernen, den Kopf und die Kruppe zu stellen, ohne das Maul oder das Kinn zu verletzen. Durch die Anwendung werden Schultern und Schenkel biegsam und gelenkig gemacht.
Die Arbeit mit dem Kappzaum fördert die Aufmerksamkeit des Pferdes gegenüber der Reiterhand. Der Kappzaum ist damit eine Unterstützung der Zügelhand an der Stangenzäumung.
Kappzaum und Stange wirken unterschiedlich. Der Kappzaum wirkt auf die Nase des Pferdes, die Stange auf das Maul. Durch Annehmen des Kappazaum wird das Pferd aufgerichtet, durch Einwirkung mit der Stange wird das Pferd tiefer eingestellt. Durch Einwirkung mit dem Kappzaum kann ein Stellen des Pferdes erreicht werden, was durch die Stange nur schwer möglich ist.
Guérinière empfiehlt den Kappzaum, wenn er von erfahrenen Ausbildern eingesetzt wird, warnt aber vor der Verwendung des Kappzaums durch Anfänger.
Die Trense nach Guérinière ist ein Mundstück mit einem Hauptgestell ohne Nasenband. Das Mundstück besteht aus dünnem Eisen mit einem oder mehreren Gelenken versehen. Sie wird als Unterlegtrense mit der Stange eingelegt und hat eher militätischen Nutzen. Sollten im Kampf die Stangenzügel durchtrennt werden, kann auf das "Ersatz-Mundstück" zurückgegriffen werden.
Die Unterlegtrense wurde von Johann Christoph von Regenthal (? bis 1730) an der Spanischen Hofreitschule in Wien erfunden.
Ein weiteres Einsatzgebiet der Trense ist das Anreiten junger Pferde. Dazu wird die Schenkeltrense verwendet. Die seitlich angebrachten Schenkel verhindern ein "Durchziehen" des Mundstücks durch das Maul. Ausserdem können sie mit den Backenstücken verschnallt werden, um eine optimale Position im Pferdemaul zu gewährleisten.
Guérinière zitiert wiederum Newcastle, welcher die Trense bei Pferden empfiehlt, welche zu tief kommen. Da die Trense nicht auf die Laden des Pferdes wirken, sondern auf die Lefzen, kann das Pferd damit veranlasst werden, seinen Kopf höher zu tragen.
In einem Abschnitt seines Buches erwähnt Guérinière das Pelham, welches von den Engländern entwickelt wurde, und speziell bei deren Vollblütern eingesetzt wurde. Es handelt sich dabei um eine Kombination aus Kandare und Trense, die mit zwei Zügeln versehen, bei Bedarf entweder die eine oder die andere Funktion erfüllen sollte.
In nebenstehenden Bild ist ein Pelham so eingeschnallt, dass es für ziemlich alle Fehler, die gemacht werden können, beispielhaft ist:
Das Bild zeigt die korrekte Verschnallung eines sogenannten Sperriemens. Der "Sperriemen" ist nicht dazu da dem Pferd das Atmen zu erschweren, sondern bei Annahme des Zügels gleichzeitig auf Maul und Nase zu wirken.
Die Art der Zäumung ist abhängig vom Ausbildungsstand, der Anatomie und nicht zuletzt von der Vorliebe des Pferdes.
Grundsätzlich beginnt man die Ausbildung, wenn das Pferd noch keinerlei Erfahrung mit Zäumung machen musste, gebisslos mit einem Nasband. Je weniger Material es aufweist, desto besser ist es für das Pferd.
Ein Pferd, welches zum Anreiten ausgewählt wird, soll bereits mit Alltagssituationen vertraut sein. Seine Ausbildung hat in diesem Stadium schon lange begonnen, idealerweise von Geburt an.
Es kennt Führen am Halfter, Anbinden, Putzen, Waschen, Friesieren, den Schmied und geht vertrauensvoll auf den Anhänger. Wenn es hier noch Defizite gibt, dann sollte der Focus hauptsächlich auf deren Beseitigung liegen.
Da das Pferd das Stall- oder Führhalfter bereits kennt, wird ihm das Nasband keine Schwierigkeiten bereiten.
Das Nasband der Italienischen Schule erinnert stark an ein Bosal. Das Bosal, welches heute in der Altkalifornischen Reitkunst seinen festen Platz hat, kann als direkte Weiterentwickung des Nasbands gesehen werden. Seine Verwendung bei der Pferde-Ausbildung nach der Italienischen Schule ist kein Widerspruch.
Hier ein Beispiel aus dem Buch von Giovanni Galiberto, der im Dreissigjährigen Krieg auf Seiten der Katholischen Liga aktiv war.
Durch Anbringung von Ringen, seitlich und mittig auf dem Nasband entsteht dann das heute oft verwendete Caveçon. Es ist ideal für die Ausbildung des jungen Pferdes vom Boden aus. Zur weiterführenden Ausbildung kann zur Handarbeit und Reiten ein Gebiss eingeschnallt werden.
Doch zunächst wird das Nasband (Caveçon) ohne Gebiss zur Bodenarbeit verwendet. Die Handeinwirkung erfolgt auf Nase, Kinn, Genick und Gansche des Pferdes. Das Maul bleibt verschont. Ziel ist über Kommunikation durch Körpersprache, Stimme, Zeigen mit der Gerte, dem Pferd die Gelenkigkeit und Muskulatur auszubilden, die unter dem Reiter später notwendig ist.
Diese Ausbildungsphase dauert erfahrungsgemäss mindestens ein Jahr. In dieser Zeit wird das Pferd soweit geschult, dass es alle Seitengänge in mehreren Führpositionen (mindestens in vorderer Führposition) unter Anwendung feinster Hilfen (ohne Berührung mit der Gerte) ausführen kann.
Idealerweise geht das Pferd auch gemäss Italienischer Schule an der Longe. Dabei ist es in der Lage Seitengänge auf dem Zirkel auszuführen.
Dies ist dann die Zeit, um das Pferd mit dem Gebiss vertraut zu machen. Das bedeutet nicht, dass bereits Einwirkung auf das Maul ausgeübt wird. Über einen längeren Zeitraum (mehrere Monate) wird ein einfaches Gebiss (Wasser-, Schenkel-, Olivenkopf-Trense) in das Caveçon eingeschnallt.
Weiterhin wird Bodenarbeit gemacht (ohne Gebiss-Einwirkung) und die Schulen, Seitengänge in verschiedenen Führpositionen und Gangarten verbessert und weiterentwickelt.
Das schöne an dieser Vorgehensweise ist, dass man dem Pferd die Zeit lässt, die es braucht, um in die nächste Phase der Ausbildung einzutreten. Die Anforderungen in diesem Konzept überlappen sich und werden spielerisch, fast wie nebenbei angegangen.
Das Pferd wird dabei nie lange in einer Stress-Situation gehalten und oft mit Stimme und Leckerlis gelobt.
Man kann sich dabei getrost an Guérinière halten, der sagt:
Schäden und Verletzungen an
Die Frage nach dem besten Alter für den Beginn der Ausbildung wird häufig diskutiert. Die Ausbildung eines Pferdes, aber auch die eines Reiters kann grundsätzlich zu jeder Zeit, in jedem Alter beginnen. Das Anreiten, also der Zeitpunkt, wann der Reiter aufsitzt und den Pferderücken belastet, muss mit Bedacht gewählt werden. Dabei ist Wachstum und Gesundheit des Pferdes ebenso zu berücksichtigen wie Können und Gewicht des Reiters.
Es kann während der Ausbildung eines bereits gerittenen Pferdes Phasen geben, in denen man besser nicht reitet, aber trotzdem an der Weiterentwicklung der Fähigkeiten arbeiten kann.
Nachdem die Schulen am Nasband gefestigt wurden, und das Pferd sich an das mittlerweile eingelegte Gebiss gewöhnt hat, kann nun im Sinne der Handarbeit mit Einwirkung auf das Mundstück begonnen werden. Dazu wird ein Zügelpaar in das Gebiss eingeschnallt.
Bei der Handarbeit oder Arbeit am kurzen Zügel wird das Pferd mit der Einwirkung über das Trensengebisses vertraut gemacht. Da es mittlerweile biegsam und gelenkig genug ist, wird es ihm nicht schwerfallen bereits erlernte Schulen in der korrekten Stellung und Biegung umzusetzen. Anfangs kann mit Einwirkung über das Nasband unterstützt werden, in dessen Ringe ebenfalls Zügel eingeschnallt werden.
Diese Zäumung, bei der Zügel am Nasband sowie Zügel an der Trense eingeschnallt sind, wird beibehalten, wenn das Pferd schliesslich geritten wird. Dabei wird die spätere Stangenzäumung durch das Trensengebiss simuliert, die eventuell später verwendete Unterlegtrense durch das Nasband.
So können die bereits vom Boden aus erlernten Schulen auf das Reiten übertragen werden. Unterstützt wird die primäre Sitzhilfe durch die bekannte Zäumung. Sobald das Pferd die feinen Hilfen mit der Trense willig annimmt, kann sie durch ein Stangengebiss ausgetauscht werden. Dann ist man bei der in der klassisch-akademischen Reitkunst geforderten Zäumung angekommen.
Aber auch an die Stange muss sich ein Pferd erst einmal gewöhnen. Dazu lässt man wiederum die Stange über einen längeren Zeitraum einfach im Maul liegen, ohne damit einzuwirken.
Soll das Pferd mit Unterlegtrense geritten werden, dann muss es sich auch hierbei an die zusätzlich im Maul liegende Stange gewöhnen. Diese Gewöhnungsphase kann mehrere Monate andauern. Insbesondere bei der Entscheidung, ob die Stangenzäumung mit Nasband oder Unterlegtrense unterstützt wird, soll das Pferd das letzte Wort haben. Je nach Gebäude und Temperament verträgt es das eine besser als das andere.
Stellung und Biegung wird über Sitz und Gewichtsverlagerung sowie gegebenenfalls durch Zügeleinwirkung an der Pferdeschulter hergestellt. Sollte in dieser Phase noch Unterstützung durch die Reiterhand notwendig sein, dann wird hierzu über das Nasband oder Unterlegtrense eingewirkt.
Grundsätzlich müssen die bereits aufgeführten unterschiedlichen Funktionen von Stangenzäumung und Nasband bzw. Unterlegtrense immer beachtet werden. Die Stangenzäumung bringt ein Pferd in eine tiefere Beizäumung zur vermehrten Versammlung. Mit Nasband oder Unterlegtrense kann das Pferd dazu veranlasst werden, den Kopf höher zu tragen oder eine Stellung einzunehmen.
Bei Verwendung von Stangenzäumung mit Unterlegtrense muss für beides genügend Platz im Pferdemaul sein. Besonders wichtig ist die Lage der beiden Mundstücke. Die Stange liegt auf Zunge und Lade des Pferdes, die Unterlegtrense an der Lefze. Auch während des Reitens dürfen sie ihre Lage und damit ihren Einwirkungsbereich nicht verlassen.
Damit einhergeht, dass die Stangenzäumung immer einhändig geführt wird, damit ein Verkannten der Stange im Maul ausgeschlossen wird. Die Einwirkung auf Unterlegtrense oder Nasband kann dagegen nach Bedarf einseitig geschehen. Bei jungen Pferden empfiehlt sich hierbei die 3:1 Zügelführung, bei der die Stangenzügel sowie ein (der äussere) Trensen- oder Nasbandzügel in einer Hand gehalten werden, und der andere (der innere) Trensen- oder Nasbandzügel in der anderen Hand gehalten werden.